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Vorschule und Business

Barbara, Veronika und Robert gehen mit Emmanuel und Juliette um halb sieben auf einen Hügel vor Adilang, um den Sonnenaufgang zu sehen. Da ich noch viel aufzuschreiben habe, verkneife ich mir das und nutze die Zeit für die Geschichten vom gestrigen Tag.

Um neun kommt Berna und wir klären zu zweit offene Fragen bezüglich der Betriebskosten der Schule für 2025. Einige Punkte benötigen noch Klärung, aber in zwei bis drei Wochen sollte die Planung zumindest als erste Version komplett sein.

Nachdem alle gefrühstückt haben, marschieren wir in die nahegelegene Medical Station David Fagerlee. Dieses kleine Krankenhaus ist neben unserem Vocational Training Institute ein weiteres Highlight in Adilang. Drei Ärzte empfangen uns und nach einer kleinen Führung übergeben wir, was wir mitgebracht haben. Spektakulär ist natürlich die Übergabe des Defibrilators, den Veronika organisiert hat. Viel Freude haben sie auch an einem Blutdruckmessgerät, weil das einzige, das sie hatten, gerade kaputt gegangen ist. Wir nehmen uns vor, ein bisschen Geld hier zu lassen, damit sie ein paar mehr kaufen können. Daneben haben wir noch Brillen, Verbandskästen, Verbandsmaterial und einiges mehr dabei. 

Nett sind zwei englische Bücher, die Heike gefunden hat – eines davon heißt „The hospital dog“.

Von dort fahren wir nach Lamwon, wo die Vorschule entstehen soll. Die Fahrt ist nicht sehr weit, aber die Straßenverhältnisse sind anspruchsvoll, teilweise müssen wir aufpassen, im Safari-Bus nicht mit dem Kopf an die Decke zu stoßen. Wir werden dort schon erwartet, Männer, Frauen und ungefähr hundert Kinder sitzen schon zusammen und schauen uns gespannt entgegen. Was auch sofort auffällt, ist, dass die Bewohner einige tausend Ziegel geformt und getrocknet haben, die für den Schulbau zur Verfügung stehen. Das ist gut.

Die folgende Diskussion mit dem zuständigen LC1 – also dem zuständigen Gebietsverantwortlichen auf unterster Ebene – und einigen Männern läuft dann nicht ganz einfach. Sie machen uns klar, dass die Kinder erst im Alter von 13 Jahren in Gruppen ins Dorf gehen können, weil es sonst aus verschiedenen Gründen zu gefährlich ist. Das bedeutet, dass sie gerne nicht nur eine Vorschule, sondern auch noch gleich die ersten vier Jahrgangsstufen einer Primary School hätten. Außerdem sei das Graben im steinigen Boden schwierig und sie bräuchten Hilfe. Dritter wichtiger Punkt ist, dass der Brunnen nicht zufriedenstellend funktioniert und insbesondere kein sauberes Wasser liefert.

Das Thema mit der Primary School kannte ich, aber ich finde es trotzdem beeindruckend, wie Emmanuel die Situation managed. Nach einiger Diskussion wird die große Gruppe aufgeteilt – die Männer gehen rund ums Grundstück, die Mütter bleiben mehr oder weniger für sich und die Frauen unseres Teams starten Spiele mit den Kindern. Schnell hören wir lautes Lachen und sie haben offensichtlich Spaß. Auch die mitgebrachte Kleidung wird an die Kinder verteilt.

Auf dem Weg rund ums angedachte Schulgelände bekommt man einen Eindruck, dass es schon richtig groß ist. Nicht alles ist für Anbau geeignet, aber doch ein beträchtlicher Teil davon. Emmanuel macht den Männern klar, dass es Aufgabe der Bewohner hier ist, die Vorschule zu bauen und auch das Geld für den laufenden Betrieb aufzubringen. Unterstützung bekommen sie bei der Ausbildung von Lehrkräften und bezüglich Know-How beim Schulbau und anderen Themen wie dem Gemüseanbau. Auch der steinige Boden ist ein Problem, das zunächst vor Ort überwunden werden muss. „You have to work hard“, sagt er den Männern ganz klar. Und seine Logik ist, dass, wenn die Bewohner in der Lage sind, eine Vorschule auf die Beine zu bringen, dann können sie diese im Laufe der Jahre auch zu einer Primary School mit ersten Jahrgangsstufen ausbauen.

Ich finde diese Logik sehr gut und hinzu kommt, dass wir das Erreichte immer gegen die aktuelle Situation vergleichen sollten. Heute bekommen die Kinder bis zum Alter von 13 Jahren kaum Ausbildung und dann können sie in Primary 1 oder vielleicht in Primary 2 und sitzen dann neben 7- oder 8-jährigen. Mit einer unvollständigen oder im schlimmsten Fall keiner Schulausbildung starten sie dann in die Welt der Erwachsenen. Im Vergleich dazu wäre es schon ein großer Fortschritt, wenn diese Ungerechtigkeiten deutlich reduziert werden könnten.

Lösen müssen wir in jedem Fall das Problem mit dem Brunnen, da ein funktionierender Brunnen der Ausgangspunkt all unserer Überlegungen ist. Das sollte aber mit unseren Partnern von Global H2O hinzubekommen sein.

Das Thema ist extrem anspruchsvoll, auf der anderen Seite müssen wir unseren Fokus auf die Berufsschule und die angedachten Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu schaffen, behalten. Doch wenn man die Kinder hier draußen vor sich hat, geht kein Weg daran vorbei, dass wir zumindest versuchen müssen, hier auch Verbesserungen herbei zu führen.

Wir machen dann noch einen Besuch bei einer Familie, die bei der gestrigen Graduierungsfeier mit einem Preis für Sauberkeit und Hygiene ausgezeichnet wurde – ein von Dongo Paco organisierter Wettbewerb. Das Gelände mit den verschiedenen strohgedeckten Hütten ist blitzsauber und auch bezüglich sanitärer Anlagen ist alles wohl geordnet. Dies hier ist ein tolles Beispiel, was mit den vorhandenen Mitteln erreichbar ist. Die Frau ist im Übrigen eine der Volunteers von Dongo Paco, das heißt, sie arbeitet als Verbindungsperson zwischen Dongo Paco und Lamwon. Und die Familie hat einen wesentlichen Teil des Grunds für die neue Vorschule gestiftet.

Ich bekomme als Geschenk ein kleines Huhn und die Familie wird darauf aufpassen, bis ich wiederkomme, ich muss es also nicht mitnehmen, was mich sehr beruhigt. Robert, von dem sie kurzerhand annehmen, dass wir Zwillingsbrüder sind, bekommt einen kleinen  Hahn mit derselben Regelung. Heike bekommt einen ganzen Korb Sheanüsse mit auf den Weg.

Emmanuel fährt dann noch einmal zur Versammlung der Dorfbewohner zurück, um zusammen mit Pius, Francis und Vivian weiter zu besprechen, wie es weitergehen soll, während wir anderen zum Guesthouse zurückfahren.

Gegen Abend besuchen wir in Adilang noch drei Business-Leute, die bei der Sommerschule für junge Unternehmer dabei waren. Beim ersten Geschäft geht es um einen jungen Mann, der alle möglichen Sorten von Getreide an- und verkauft. Er erzählt, dass ein Kernthema für ihn ist, die Transporte zu organisieren. 

Sehr interessant ist der zweite Termin bei einem Friseur, der Jonathan heißt. Von ihm erfahren wir, dass sein Geschäft sehr saisonal ist, da die Menschen in Adilang während des Jahres wenig Geld für ihre Frisur aufwenden, nur auf Weihnachten hin wollen alle schick sein. Er hat deshalb begonnen, Acessoires zu verkaufen und er möchte im Laufe dieses Jahres ein zweites Geschäft für Kosmetik eröffnen. Zudem bietet er Lampen an, die nur bei ihm aufgeladen werden können und die offensichtlich sehr gefragt sind, weil sich während unserer Anwesenheit eine ganze Schlange vor seinem Geschäft bildet aus Menschen, die alle diese Lampen dabei haben. Mit Jonathan sollten wir in jedem Fall in Kontakt bleiben, weil er jemand ist, der in der Lage ist, Arbeitsplätze zu schaffen.

Am Schluss sind wir noch in unserer Schneiderei Dongo Paco Tailors & Designers, wo noch fleißig gearbeitet wird, obwohl es längst dunkel geworden ist. Die jungen Frauen erzählen, was sie machen wollen, wenn sie hier ein Jahr gearbeitet haben und für die nächsten Absolventen Platz machen müssen. Die meisten haben schon eine Vorstellung, an welchem Ort sie alleine oder in einer Gruppe arbeiten wollen, in Adilang Center, in Dörfern, die noch zur Gemeinde Adilang gehören oder in Kalong, also ca. 40 Kilometer entfernt. Das Thema der Schneiderei ist sicher auch ein Bereich, der weiter entwickelt werden sollte, um Arbeitsplätze in Adilang zu schaffen.

Zum Abendessen im Innenhof des Guesthouses sind alle eingeladen, die wesentlich zur Gestaltung der letzten Tage beigetragen haben, Vivian, Francis, Pius und Florence von Dongo Paco, Juliette und Julias von Rostwa, Patrick, Tonny und James von der Schule. Es ist ein sehr netter Abend und alle bekommen Gelegenheit, ihre Gedanken in einigen Sätzen zum Ausdruck zu bringen. 

Damit gehen unsere Tage in Adilang langsam zu Ende, morgen früh geht es los in Richtung Jinja.

3 Gedanken zu „Vorschule und Business“

  1. grüß dich Albert,
    beim Lesen deines hoch interessanten Berichts wird mir zeitweise ganz anders.
    Wenn ichnur an die Situation im Krankenhaus denke, mein Gott,da fehlt es ja am nötigsten.
    Um so mehr freut mich euer über aus großes Engagement dort in Adilang und Lamwon usw.
    mein Respekt hilt euch Allen.
    Liebe Grüße
    Hildegard

    1. Liebe Hildegard,
      danke für deine Begleitung – es gäbe so unheimlich viel zu tun hier … wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht zu viel auf einmal wollen, aber an manchen Stellen ist es schwer, einfach die Augen zu verschließen.
      Liebe Grüße,
      Albert

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