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Der große Tag

Segnung der neuen Gebäude und Zeugnisverleihung für die Absolventen – dieser Tag war der formale Höhepunkt der Woche. Um 9 Uhr sollte der Festgottesdienst beginnen, aber es ging wie immer etwas gemächlich los. Kurz vor halb zehn holte uns Mesogge im Guesthouse ab, wir waren aber auf dem VTI-Gelände immer noch bei den ersten. Die einzigen, die schon vollständig anwesend waren und auf die Ereignisse des Tages warteten, waren die Absolventen.

Kurz vor zehn traf Monsignore Mathew Odong von der Diözese Gulu ein. Robert und ich kannten  in schon von der ersten Reise nach Adilang und so gab es eine nicht nur herzliche, sondern auch lautstarke Begrüßung. Irgendwann nach zehn hieß es, man könne auf die restlichen Gäste nun nicht länger warten – es war immer noch fast niemand da – also begann der Festgottesdienst. Also alles ein bisschen wie bei der Schuleröffnung, nur waren dieses Mal nicht mehr beunruhigt. Alte Hasen eben.

Der Gottesdienst war sehr schön mit viel Gesang und einer sehr lebendigen Predigt des Monsignore, wenn wir auch wenig verstanden, weil er überwiegend die lokale Sprache Acholi benutzte. Beim Opfergang entschieden wir, als Gruppe zwei Scheine einzuwerfen. Ich sagte zu den anderen: „Da gehn wir mitnand viere“ – für unsere norddeutschen Leser „Da gehen wir zusammen nach vorne.“ Worauf Robert zweifelnd schaute und erwiderte: „Wir sind doch fünfe.“ Kabarett im wirklichen Leben.

Am Ende des Gottesdienstes wurden dann die neuen Gebäude gesegnet, die zwei Unterrichtsgebäude mit jeweils zwei Klassenzimmer und einem Sanitärtrakt, die erste Personalunterkunft und die Pumpanlage für die Wasserversorgung. 

Danach durfte jeder von uns einen Baum pflanzen. Bei meinem Baum gingen die Meinungen etwas auseinander, um welchen Baum es sich handelt, aber Isaac, der Lehrer für die Landwirtschaft, sagte es sei ein Teak-Baum, und seiner Kompetenz würde ich absolut vertrauen. Ich versuchte mir dann noch den Standort zu merken – der Baum direkt vor dem Adoma im Hintergrund. Mal sehen, ob das funktioniert. In jedem Fall habe ich jetzt eine Ziege – die wollte mir Emmanuels Bruder Pius beim ersten Aufenthalt schenken und er hat versprochen, sie für mich groß zu ziehen – und einen Baum.

Nach einer Rede des Schulleiters wurde dann an den tags zuvor vereidigten Schulvorstand die unterzeichneten und beglaubigten Dokumente ausgehändigt. Diese ehrenvolle Aufgabe übernahm wieder Bernas Bruder Makmot, der dies sehr unterhaltsam über die Bühne brachte.

Dann folgte der nächste Höhepunkt, nämlich die Zeugnisverleihung an die Absolventen des ersten Schuljahrs. Insgesamt waren es 48 jungen Menschen, mehr als die Hälfte Maurer, der Rest viele Schneiderinnen und zwei Baumsetzerinnen und ein Baumsetzer. Bei der Zeugnisverleihung durften wir als deutsche Gäste Zeugnisse an die Maurer aushändigen, der Schulvorstand war bei den Schneiderinnen aktiv – ich durfte somit zweimal dabei sein.

Die Zeugnisverleihung war sicher für die Absolventen ein großer Moment und auch für ihre Eltern. Alle sind mit leuchtend blauen Roben gekleidet, ganz wie bei uns Studenten, wenn sie ihre Bachelor-Prüfung absolviert haben. Einige werden an der Schule bleiben und den nächsthöheren Abschluss machen, andere versuchen das Gelernte beruflich umzusetzen, hoffentlich alle sehr erfolgreich.

In der Zwischenzeit haben sich im Hintergrund die Tänzer für den Royal Dance vorbereitet. Adilang hat eine sehr hochwertige Gruppe für traditionelle Tänze, die von Mohammed, einem der Bürgermeister, angeführt wird. Der Royal Dance wird nur zu ganz besonderen Anlässen aufgeführt und es ist eine besondere Ehre, dass dieser Tanz, den wir bei Schuleröffnung schon einmal gesehen haben, nun wieder für uns aufgeführt wird. 

Der Tanz ist wirklich spektakulär und absolut energiegeladen. Es dauert nicht lange, bis sich erste andere Tänzer unter die Gruppe mischen – Emmanuels Frau Berna ist eine der ersten. Bald folgen auch andere wie Santo Sans, der Bürgermeister und Makmot, der Anwalt.

Inzwischen ist es zwei Uhr, aber vor dem Mittagessen müssen noch Reden gehalten werden. Zunächst kommen die ganzen politischen Funktionsträger, unter anderem die drei Bürgermeister. Wir freuen uns sehr, welch große Wertschätzung sie unserer Schule entgegenbringen. Sie betonen, dass die Berufsschule das Leben in der Gemeinde jetzt bereits verändert hat. 

Dann kommt Emmanuel an die Reihe und neben dem Dank für die vielfältige Unterstützung ermahnt er die Menschen auch, ihren Kindern eine Ausbildung zu ermögilchen und ihnen insbesondere auch die Zeit zu geben, die sie für die Schule benötigen.

Ich darf dann unsere Abordnung vorstellen und erkläre bei dieser Gelegenheit, dass unsere Unterstützung nicht nur von einigen wenigen kommt, sondern dass ganz viele Menschen mithelfen. Zweiter Gedanke ist, dass bei allem, was in der Schule passiert, die Schüler im Mittelpunkt stehen sollten. Dies bedeutet aber auch, dass die Absolventen die Verpflichtung haben, das Gelernte zum Wohle der Gemeinschaft und ihrer Familien einzusetzen.

Emmanuel holt dann noch die Kandidaten für die Stipendien nach vorne und erklärt ihnen, welch große Chance sich ihnen eröffnet und dass es all denen, die nicht ausgewählt wurden, gegenüber unfair wäre, diese Chance nicht bestmöglich zu nutzen.

Danach kommen die Ältesten der Gemeinde noch zu Wort und abschließend der District Commissioner. Er hält eine sehr engagierte Rede und bringt unter anderem zum Ausdruck, dass unser Vocational Training Institute in seiner Art einzigartig im ganzen Distrikt ist. Er sichert seine volle Unterstützung zu und –  irgendwie etwas überraschend – sagt er: „Gebt mir eine Liste der Absolventen und ich werde dafür sorgen, dass alle finanzielle Unterstützung für ihren Start ins Berufsleben erhalten.“ Wir sind nicht ganz sicher, ob er das mehr bildlich gemeint hat, aber Emmanuel, der neben mir sitzt, zieht sofort eine Liste der Absolventen aus der Jackentasche, stempelt die Liste mit einem Dongo Paco-Stempel, den er einstecken hat, unterschriebt das Ganze und marschiert noch während der Rede des Kommissionärs nach vorne und überreicht ihm die Liste. Wir sind sehr gespannt, was daraus konkret wird,

Nun ist es vier geworden und die traditionelle Tanzgruppe tritt noch einmal an. Wieder geht es sehr rhythmisch und lebhaft zur Sache und bald tanzen wieder viele Leute mit. Auch Georg unser Bürgermeister, dessen Anwesenheit von allen Rednern hervorgehoben wurde, muss sich einreihen. Mit einer Trommel ausgerüstet geht es im Kreis herum und man muss sagen, er macht seine Sache sehr gut.

Nun gibt es – dreieinhalb Stunden später als geplant – Mittagessen. Geladen sind ungefähr dreihundert Gäste, aber auf dem Gelände sind inzwischen sicher mehr als sechshundert. Zubereitet wird das Essen von einem Catering-Team, dass schon seit heute früh in einer Ecke des Schulgeländes kocht. Wir müssen als Erstes zur Essensausgabe, was uns zwar etwas peinlich ist, aber niemand würde etwas essen, solange wir nicht versorgt sind. Ein Vorteil dabei ist, dass wir eine der wenigen Gabeln bekommen, während alle anderen traditionell sich die Hände waschen und dann mit den Fingern essen. Das Ganze läuft sehr diszipliniert und zügig ab.

Nach dem Essen und vielen Fotos mit den Absolventen schauen wir uns eine kleine Ausstellung an, in der Menschen aus Adilang handgefertigte Produkte vorstellen und es aus Emmanuels Sicht schade wäre, wenn die entsprechenden Fertigkeiten verloren gehen würden. Daraus ergibt sich sicher die eine oder andere Ausbildungsidee für die Schule, da nicht jeder eine zweijährige formale Ausbildung machen kann.

Am Sportplatz müssen wir auch vorbeischauen, dort geht das Netzballspiel der jungen Frauen gerade zu Ende und das Fußballspiel der jungen Männer beginnt. Georg darf den Anstoß ausführen.

Emmanuel ruft dann die Schneiderinnen unter den Absolventen noch einmal zusammen und sagt ihnen, dass sie den Kontakt zur Schule nicht abreißen lassen sollen und dass ihnen Dongo Paco bei einem guten Konzept unter Umständen helfen kann, zu starten. Dies knüpft unmittelbar an unseren abendlichen Besuch gestern an. Für die Absolventin, die wir besucht haben, habe ich als Überraschung noch aus Bernried eine Bestellung für ein Kleid bekommen, das sie anfertigen soll, und das ich im Mai mitnehmen werde, wenn ich wieder in Adilang bin.

Damit ist alles erledigt, was wir heute absolvieren mussten und wir sind auch erledigt. Mesogge fährt uns ins Guesthouse und obwohl ich mich sehr nach etwas Ruhe sehne, fällt es mir schwer, von hier wegzufahren, ohne die Zeit gehabt zu haben, mir manche Dinge in Ruhe anzuschauen.

Nach dem Duschen setzen wir uns auf die Terrasse auf ein Bier und langsam kommen immer mehr Leute ins Guesthouse. Alle Dongo Paco-Mitglieder, alle Rostwa-Mitarbeiter und das Ganze VTI-Personal sind eingeladen, nach der aufwändigen Vorbereitung und der vielen Arbeit hier noch zusammenzusitzen. Da es irgendwann zu regnen anfängt, verlagert sich das Ganze vom Innenhof des Guesthouses nach innen in den großen Raum, der für Mahlzeiten und als Rezeption genutzt wird. Die Stimmung ist wie nach einem wichtigen Fußballspiel, das erfolgreich absolviert wurde. Zu späterer Stunde wird noch ausgiebig getanzt, wobei sich niemand entziehen kann. Gegen Mitternacht fallen wir müde ins Bett.

1 Gedanke zu „Der große Tag“

  1. Platt macht einen schon das Lesen! Wie könnt Ihr das alles aushalten, ohne Punkt und Komma in der Hitze! Ein wunderbarer Tag für die Leute und die Entwicklung. Großartig, was da passiert in der Kooperation.
    Weiterhin alles Gute, doch hoffentlich mit ein paar Pausen mehr.
    Sr. Rosa Maria und Sr. Beate

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