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Jetzt wird es ernst

Frühmorgens geht es heute zunächst einmal zusammen mit Emmanuel und Pius auf eine kleine Anhöhe etwas außerhalb von Adilang. Es ist schön, von hier oben die Sonne aufgehen zu sehen und über das weite Land zu schauen. 

Wir werden die gesamte Zeit begleitet von zwei Soldaten, die wohl im Dorf sind, um den District Commissioner zu bewachen und die jetzt auf uns aufpassen. Wir sind nicht ganz sicher, ob das unserem Schutz dienen soll oder eher, damit wir nichts Abweichlerisches vorhaben, vielleicht ist ihnen aber einfach nur langweilig. Es fühlt sich in jedem Fall nicht bedrohlich an und auf dem Weg zurück unterhält sich Helmut prächtig mit ihnen.

Jede Schule in Uganda braucht einen Schulvorstand, dessen Zusammensetzung vorgeschrieben ist. Im Vorstand unseres Adilang Vocational Instituts sind Emmanuel als Vorsitzender, Father Jino als Stellvertreter, und Vivian als weitere Vertreterin des Trägervereins, dann James als Vertreter der Lehrer, Justine als Vertreter des weiteren Personals, Vincent als Vertreter der Eltern, Bosco als Vertreter der Gemeinde und Peter als Vertreter des Distrikts. Ich darf unsren Verein Helfen am Ursprung im Schulvorstand vertreten.

Am Vormittag ist die erste große Sitzung des Schulvorstands, nachdem wir bisher nur einmal kurz per Zoom zusammen waren. Ein externer Berater ist gekommen und erzählt uns viel über die Pflichten eines Schulvorstands und gibt auch eine Menge Hinweise, was man tun und was man besser lassen sollte. „Eyes on – hands off“ ist beispielsweise eine Regel. Für mich ist der Vortragende nicht ganz leicht zu verstehen, aber mit ein bisschen Einhören steigert sich der verstandene Teil auf etwas mehr als die Hälfte.

Dann wird es ernst. Bernas Bruder Makmot, der Anwalt ist, kommt und vereidigt die Mitglieder des Schulvorstand einzeln. Wir müssen schwören, zum Wohle der Schule zu arbeiten und die Regeln der Schule einzuhalten. Alles sehr feierlich, im. Grunde vergleichbar mit der Vereidigung von Gemeinderatsmitgliedern bei uns.

Danach werden noch Gremien gebildet und für jedes Gremium ein Arbeitsprogramm aufgestellt. Spannend, was daraus wird – im Mai, wenn ich wieder hier sein werde, wird die nächste Vorstandssitzung stattfinden.

Mittagessen gibt es dann in einer der runden Hütten. Irgendjemand ist auf die Idee gekommen, in die Hütte Stühle zu stellen, obwohl es rundherum eine Sitzbank aus dunklem, aufgerautem Rohbeton gibt. So etwas geht für Emmanuel gar nicht, sehr schnell sind die Stühle wieder verschwunden und wir sitzen so, wie es traditionell vorgesehen ist.

Am Nachmittag – es ist schon halb vier – kommen die jungen Menschen zu uns in die Rundhütte, die als Stipendiaten vorgesehen sind. Sie müssen sich hier in Gruppen dem Schulvorstand vorstellen. Die meisten sind ziemlich schüchtern, aber alle haben klare Vorstellungen, was sie in der Schule lernen wollen. Einige von ihnen sind auch schon Mitte zwanzig oder einer sogar dreißig und ihre letzte Schulzeit liegt einige Jahre zurück, aber sie haben sich entschlossen, jetzt die Chance für eine Berufsausbildung zu ergreifen. 

In Summe wurden 10 junge Frauen und 20 junge Männer ausgewählt – das Ziel einer Gleichverteilung ist also nicht ganz erreicht. Alle wollen eine zweijährige Ausbildung machen in der Landwirtschaft oder als Maurer. Eine junge Frau hat sich als Schneiderin angemeldet, fragt aber schüchtern, ob sie denn auch als Maurer ausgebildet werden kann, was selbstverständlich unterstützt wird.

Letzter Punkt des Nachmittags ist der Besuch eines kleinen Projekts einer Schülerin, die morgen ihr Zeugnis erhalten wird. Wir fahren etwas aus dem Dorf und dann über sehr unwegsames Gelände weg von der Hauptstraße. Unser Safari-taugliches Fahrzeug kommt mehrmals an seine Grenzen. Am Ende müssen wir noch zehn Minuten zu Fuß gehen – im Pulk mit mindestens sechzig kleinen Kindern und einiger Erwachsenen.

Schließlich stehen wir vor einer normalen Rundhütte, ansonsten ist nichts zu sehen. Wir hören, dass die junge Frau, die nicht allzu weit weg von hier wohnt, immer hierher zu ihrer Freundin kommt, weil diese eine Nähmaschine hat. Gemeinsam nähen sie dann für Kunden – der Ausstellungsraum ist eine Wäscheleine, wobei die Stücke, die sie uns zeigen, alle bestellt sind. Wir erfahren, dass sie täglich sechs bis acht Kunden haben, was hier mitten im Nirgendwo schon sehr erstaunlich ist.

Wir fragen die jungen Dame, ob sich ihr Leben durch die Ausbildung verändert hat, was sie lächelnd bestätigt. Auch die Frage, ob sie, wenn sie eine Nähmaschine bekäme, einen Euro in der Woche zurückzahlen könnte, beantwortet sie sofort mit „Ja“. Nachdem eine Nähmaschine 70 Euro kostet, hieße dass, das sie sich in etwas mehr als einem jähr die Nähmaschine finanzieren könnte. Das klingt nach einem sinnvollen Plan … wir müssen morgen darüber reden.

Auf der Rückfahrt ist es dunkel, irgendwo werden noch zwei Säcke bestellter Mangos auf das Fahrzeugdach geladen und dann geht es zurück zum Guesthouse. An Pause ist allerdings nicht zu denken, weil dort schon zahlreiche Vertreter der Älteren der Gemeinde und die drei Bürgermeister auf uns warten. In großer Runde sitzen wir im Innenhof des Guesthouses, jeder stellt sich vor und dann müssen die wichtigen Leute alle noch eine Rede halten. Das Ganze dauert mehr als zwei Stunden, aber es ist trotzdem schön, wie einstimmig alle den großen Wert der entstehenden Schule hervorheben.

Mohammed, einer der Bürgermeister, sagt, dass viele Projekte anspruchsvoll beginnen und dann langsam zurückschrauben müssen. Von unserem Projekt sei man in 2022 auch nicht vollständig überzeugt gewesen, aber man wollte den Versuch wagen. im letzten Jahr war schon die Schuleröffnung, aber das schöne Bild mit der Gesamtplanung schien trotzdem unerreichbar. Jetzt, wenn man auf das Schulgelände kommt, sieht man, dass es genau so entstehen wird.

Auch viele andere betonen, dass die Schule die Gemeinde verändert und im Laufe des Abends kommt auch noch Berna, die Distriktverantwortliche für die Gemeinde, dazu und bedankt sich für das Projekt.

Georg, unser Bürgermeister, wird gleich noch für eine kleine, spontane Gemeinderatssitzung am nächsten Tag eingeladen, ohne dass wir wissen, wie das in dem sowieso eng getakteten Tagesablauf passen.

Nach einem wiederum köstlichen Abendessen fallen wir bald müde ins Bett.

4 Gedanken zu „Jetzt wird es ernst“

  1. Es ist sehr interessant eueren Blog zu verfolgen.Respekt für eueren Einsatz für dieses Projekt.Wünsche euch noch eine schöne Zeit und alles Gute.

    LG Karin

  2. Sehr schöner Blog, man fühlt sich tatsächlich schon fast vor Ort. Laßt bitte ein paar Mangos übrig. Die Schwiegermutter von einem Mitarbeiter ist Schneiderin. Es könnte gut sein hier neben Knöpfen etc. einfach an eine gute gebrauchte Nähmaschine für die junge Dame zu kommen, falls Ihr das nicht schon anderweitig gelöst habt.

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