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Der große Tag (24. Januar)

Heute war es soweit: Das Adilang Vocational Training Institute sollte eröffnet werden. Ich stand schon vor sieben Uhr auf, weil ich mir meine Rede noch einprägen wollte, um vor so vielen Leuten nicht ins Stottern zu kommen. Als mich der Leiter des Guesthouse Osborne sitzen sah, fragte er mich, ob er mich unterstützen könnte. Was mir sehr geholfen hätte, wäre ein Ausdruck meiner Rede gewesen, aber ich wusste, dass der Drucker im Guesthouse keine Tinte mehr hatte. Er bot mir an, dass ich ihm die Datei schicken könnte und er würde es dann irgendwo im Dorf ausdrucken lassen. Das nahm ich sehr gerne an und es half, meine Nervosität etwas zu reduzieren.

Berna war seit halb sechs auf dem Gelände, um die restlichen Vorbereitungen zu leiten und Emmanuel tauchte irgendwann auf und erzählte, dass er seit fünf Uhr auf den Beinen war und unter anderem auch an seiner Rede arbeitete.

Nach dem Frühstück brachen wir zum Schulgelände auf. Wir fünf waren für das große Fest extra eingekleidet worden.

Ich war etwas nervös, weil der Gottesdienst um neun Uhr beginnen sollte und wir zehn Minuten zu spät waren. Ja ––– langsam müsste ich eigentlich wissen, wie das in Uganda läuft. Wir kamen auf das Schulgelände und außer ungefähr zwanzig Personen, die mit Dekoration und anderen Vorbereitungen beschäftigt waren, Schülern, die schon im Garten tätig waren, und einem Trupp, der in einer Ecke des Geländes das Essen vorbereitete, war noch niemand da. Als ein Grund wurde genannt, dass im Dorf jemand überraschend gestorben war, der zunächst beigesetzt werden musste, das verstärkte den Effekt aber vermutlich nur etwas. Auch der Stand des Aufbaus mit Tischen und Stühlen ließ vermuten, dass außer uns niemand im Ernst damit gerechnet hatte, dass es pünktlich losgehen würde.

Nach einiger Zeit kamen Father Felix von der Diözese Gulu und Father Jino, der wegen seines Unfalls den Arm noch in der Schlinge trug und bereiteten alles für den Gottesdienst vor. Als die Messe um elf begann, weil jeglicher Zeitpuffer aufgebraucht war, waren die Ränge immer noch sehr spärlich gefüllt. Uns beschlich zugegebenermaßen langsam das Gefühl, dass das Interesse im Dorf für die neue Schule doch nicht so groß war. Um es vorweg zu nehmen, die Eröffnungsfeier wuchs sich im Laufe des Tages zu einem Volksfest mit geschätzt 2.000 Besuchern aus.

Nach dem Gottesdienst setzte sich ein Zug zum Schulgebäude in Bewegung, um die feierliche Eröffnung zu vollziehen. So wie bei der Eröffnung einer Autobahn war ein festliches Band gespannt, das die Ehrengäste in die Hand nahmen, bevor es dann nach einem feierlichen Countdown durchschnitten wurde. 

Was für ein Moment! Das Adilang Vocational Institute hat damit offiziell seinen Betrieb aufgenommen. 

Der Zug bewegte sich auch dann noch zum Brunnen, um diesen separat zu segnen. Vor allem für Gregor wieder ein bewegender Moment. Er durfte nach der Segnung das erste Wasser pumpen.

Als sich alle wieder gesetzt hatten, wurde ein Royal Dance für uns aufgeführt, ein traditioneller Kriegstanz, der szenisch darstellt, wie Späher vorausgeschickt werden und dann die gesamte Mannschaft folgt, die Frauen innen, weil sie beschützt werden müssen. Die Tanzgruppe wird von Mohammed, einem der Bürgermeister Adilangs, angeführt und hat Auftritte auf nationaler und internationaler Ebene. Das war sehr beeindruckend und endet immer damit, dass viele Zuschauer anfangen mitzutanzen. Auch wir fanden uns sehr schnell unter den Tanzenden wieder.

Danach folgten zwei Reden, zunächst der Vortrag eines Vertreters vom Bezirk Agago, danach Emmanuel, der die Themen und Ziele der Schule und des gesamten Projekts vorstellte. Beide sprachen teilweise in Englisch, teilweise in der örtlichen Sprach Ajoli und ein Übersetzer wiederholte alles in der jeweils anderen Sprache.

Nächster Programmpunkt war die Vereidigung des Dongo Paco-Vorstands. Neben den uns bekannten Emmanuel, Berna, Vivian, Rebecca und Francis waren das noch Santo San, der Bürgermeister, Father Jino, der Priester, Harriet, die Schwester von Berna, und Betty, eine pensionierte Lehrerin aus Adilang. Sie legten ihren Eid auf die Vereinssatzung ab und Makhmot als  Anwalt war für die Beurkundung zuständig. Im Vergleich zu einer Vorstandswahl bei uns war das schon ein ganzes Stück feierlicher und förmlicher.

Ein sehr schöner Teil des Festes war die Verleihung der Abschlussurkunden an die Teilnehmer des ersten informellen Gartenbaukurses. Ich durfte auch einem Teil der jungen Leute ihre Urkunden aushändigen. Die Absolventen ließen ihrer Freude freien Lauf, für unsere Verhältnisse vergleichbar mit Verleihung von Abiturzeugnissen. Sie hatten auch einen Tanz und ein Lied vorbereitet, sehr kreativ und ohne Anleitung.

Dann war ich dran mit meiner Rede. ich hatte mich darauf eingestellt, zehn Minuten zu sprechen, und da bei den Besuchern durch die vorausgegangenen Reden die Aufnahmefähigkeit schon nachließ, wollte ich diesen Zeitrahmen auf keinen Fall überschreiten. Das hieß aber, dass ich wegen der Simultanübersetzung nur fünf Minuten zur Verfügung hatte. Ich versuchte deshalb, spontan alles aus meiner Rede zu streichen, was andere schon gesagt hatten, und es gelang, denke ich, recht gut. Inhaltlicher Schwerpunkt war, dass finanzielle Ressourcen immer nur der Ausgangspunkt sein können, um etwas aufzubauen, und dass wir sehr glücklich sind, wie gut das mit unseren Partnern von Dongo Paco und insbesondere mit Emmanuel funktioniert.

Der Rest des offiziellen Programms bestand aus weiteren Reden – und davon eine ganze Menge. Für uns war es noch ein bisschen schlimmer, weil wir das meiste nicht verstanden, aber auch das restliche Publikum war sicher froh, als es endlich zu Ende ging. 

Und so war es nach vier Uhr, als das Mittagessen aufgebaut wurde. Zum Essen waren bis zu 500 Personen eingeplant, weil die Schlange sich aber immer wieder mit weiteren Personen füllte, wurde eben so lange Essen ausgegeben, bis nichts mehr da war. 

Nach dem Essen folgte eine weitere Tanzgruppe und schließlich musste der Kuchen angeschnitten werden, wofür Emmanuels Vater Julias als Oberhaupt der Familie, die das Grundstück gestiftet hatte, und ich als Vorstand von Helfen am Ursprung ausersehen waren. Wie ein Brautpaar schnitten wir Hand in Hand den Kuchen an und zum Amusement aller ging ein kleines Feuerwerk los, das uns wie mit Sahne bespritzt aussehen ließ. Das war aber alles schnell wieder in Ordnung gebracht.

Gegen fünf begann dann das Fußballspiel zwischen dem Ortsteil, in dem unsere Schule steht, und den Jungs aus dem zentralen Teil von Adilang. Das Spielfeld war noch nicht in gutem Zustand – es staubte ganz gewaltig – aber alles andere war sehr professionell mit Schiedsrichter und Linienrichter und bestimmt tausend Zuschauern rund um das Spielfeld. Parallel traten die beiden Tanzgruppen noch einmal in Aktion, sodass auf dem ganzen Campus richtig viel, los war.

Gerade, als es endgültig zu dunkel wurde, um noch sinnvoll Fußball zu spielen, war das Spiel aus und Makhmot durfte den Pokal an die siegreichen Jungs von der Dorfmitte überreichen.

Wir fuhren zurück ins Guesthouse und dachten, dass die Attraktionen des Tages damit beendet wären, aber kurze Zeit später bauten sich ungefähr zwanzig ältere Frauen, fast alle in langen gelben Kleidern gewandet, vor dem Guesthouse auf, weil sie im Eröffnungsprogramm keinen Platz mehr gefunden hatten. Sie sangen drei Lieder für uns und überbrachten Geschenke. Man konnte deutlich spüren, wie sehr von Herzen diese Geste kam und wir waren sehr berührt.

Danach sammelten sich alle, die für das Fest verantwortlich waren einschließlich Bürgermeister und Pfarrer im Hinterhof des Guesthouses um das Lagerfeuer und es gab noch einmal richtig gutes Essen und ein paar Biere, um die angespannten Gemüter etwas in die Ruhephase zu bringen. Gegen Mitternacht verabschiedeten sich alle und wir fielen ins Bett.

2 Gedanken zu „Der große Tag (24. Januar)“

  1. Gratulation!! Wahnsinn was ihr und eure lokalen Mitstreiter in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt habt!
    Ich wünsche den VTI von Herzen alles Gute und weiterhin eine so gute Entwicklung wie bisher!
    Genießt eure weitere Reise und viele Grüße aus dem deutschen Nord-Osten (kalt aber schneelos :-))

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