Um rechtzeitig loszukommen, hatten wir für diesem Tag den Wecker noch einmal ziemlich früh gestellt – kurz nach sechs Uhr war die Nacht zu Ende. Um sieben Uhr waren wir beim Frühstück, es dauerte aber dann vor allem deshalb noch einige Zeit, weil unser ganzes Gepäck auf das Dach des Transporters gepackt werden musste, damit wir innen bequem Platz zum Sitzen hatten.
Unser Ziel für diesen Tag war das Kinderheim St. Clare in einem Ort namens Aber im Distrikt Lira. In diesem Kinderheim hatte unser Uganda-Projekt vor etwas mehr als einem Jahr seinen Anfang genommen, insbesondere hatte ich hier Emmanuel kennengelernt. Von Entebbe nach St. Clare sind ungefähr 330 Kilometer zu fahren und das Ganze dauert ca. fünf Stunden.
Die Fahrt wird aber nie langweilig, weil es so viel zu schauen und zu entdecken gibt, sehr neuartig insbesondere für diejenigen von uns, die noch nie in Uganda waren.
Die Straßenverhältnisse von Entebbe bis kurz hinter Kampala sind sehr gut, vergleichbar einer neuen Autobahn in Deutschland. Die Vermutung ist sicher nicht ganz falsch, dass dies daran liegt, dass Präsident Musenevi meist nicht in Kampala, sondern in Entebbe residiert und somit komfortabel hin und her fahren möchte, abgesehen davon, dass natürlich auch die Verbindung zwischen Hauptstadt und Flughafen wichtig ist. Danach kommt eine lange Strecke gut instandgesetzter Landstraße, die wie mit dem Lineal gezogen nach Norden führt. Irgendwann wird der Zustand der Straße dann schlechter, wird später zur Kiesstraße und die letzten paar Kilometer bis zum Kinderheim sind dann als eher abenteuerlich zu bezeichnen.
Genauso, wie sich die Straßenverhältnisse langsam ändern, ändert sich auch der Charakter der Landschaft und der Dörfer, durch die man fährt. Nach dem Start in Entebbe fährt man am Stadtrand der Millionenstadt Kampala entlang, deren zentrale Bedeutung die Umgebung noch ziemlich lange prägt. Am Morgen sind sehr, sehr viele Menschen wie in langen Karawanen in die Stadt unterwegs, mit dem Auto, mit Taxis jeder Größe, mit Mopeds, mit Fahrrädern und ganz viele zu Fuß. Irgendwann löst sich die Bebauung dann in einzelne Dörfer auf, durch die man fährt, und mit der Zeit werden die Dörfer kleiner und auch ländlicher, Die Häuser, die wir die ersten zwei Stunden sahen, waren durchgehend aus Ziegelsteinen gebaut, danach werden diese außerhalb der Dörfer immer mehr durch die traditionellen Rundhütten aus Lehm mit Strohdach abgelöst.
Ein Stück weit führt die Straße am Rand eines Nationalparks vorbei und es laufen auch mal ein paar kleine, vorwitzige Affen über die Straße. Beeindruckend ist die Überquerung des Nils, der hier schon als reißender Strom daherkommt und für jeden Wildwasserkanuten eine echte Herausforderung wäre.

Und dann fahren wir auf das Kinderheim zu, Emmanuel öffnet die Tore, weil der Security-Mann irgendwie ausgeflogen zu sein scheint, und wir kommen in die wohl geordnete, saubere Welt von St. Clare. Ein bisschen schade ist, dass gerade Ferien sind und die Kinder in ihren Dörfern sind, sodass das Heim ungewöhnlich ruhig ist.
Schwester Mary Caramba und Schwester Gointhya begrüßen uns sehr herzlich und zeigen uns unsere Zimmer. Nachdem wir unser Gepäck abgeladen haben, kommt auch die Leiterin des Heims Schwester Mary Andrew und die Wiedersehensfreude ist groß.
Es gibt herrliches Mittagessen mit Fisch, Reis, Erbsengemüse, einem grünen Gemüse ähnlich dem griechischen Horta und selbst gemachten Pommes und als Nachspeise Ananas. Dazu ein kühles Bier – wir fühlen uns sehr verwöhnt.

Nach einer kurzen Rast besichtigen wir die Baustelle, wo in fußläufiger Entfernung zum Kinderheim eine Schule für 300 Kinder entsteht. Emmanuels Team ist dort am Arbeiten und seit unserem letzten Besuch im Mai hat sich hier sehr viel getan. Damals gab es nur einen Brunnen und einen Zaun, jetzt arbeiten ungefähr 20 Personen am Gebäude, in dem die Nursery School, also der Kindergarten untergebracht sein wird. Es gibt hier keinen Kran oder dergleichen, das meiste ist Handarbeit, nur ein kleiner Lastwagen und eine mit einem Zweitaktmotor betriebene Betonmaschine sind zu sehen. Fundament und Bodenplatte sind fertig, aber dass der Eröffnungstermin im April sein soll, erscheint doch ziemlich ehrgeizig. Die Frage an Emmanuel, was es bedeuten würde, nicht rechtzeitig fertig zu sein, beantwortet er allerdings mit einem Kopfschütteln. Das Gebäude wird Anfang April fertig sein.
Da die Frauen, die am Brunnen Wasser pumpen, kleine Kinder dabei haben, gehen Heike und Gregor zurück ins Kinderheim, um etwas vom Süßigkeitenvorrat zu holen. Als sie zurückkommen, setzen sie die Altersgrenze für Kinder kurzerhand auf fünfzig, sodass auch die Arbeiter auf der Baustelle alle etwas bekommen.
Wir gehen in der Zwischenzeit quer über das Schulgrundstück zur Zufahrtsstraße, die von Norden her die Schule mit der Straße verbindet. Diese wurde notwendig, da man sich für die kurze Verbindung vom Kinderheim nicht mit den vielen betroffenen Grundstückseigentümern einigen konnte. Emmanuel zeigt uns voller Stolz die zweihundert Bäume, die seine Firma im Sinne der Social Responsibility an der Zufahrtsstraße entlang angepflanzt hat. Sie sind innerhalb weniger Monate kräftig gewachsen und inzwischen vier bis fünf Meter hoch.
Der Rundgang im Heim fiel dann ziemlich kurz aus, weil es doch sehr heiß war. Es ist gerade Trockenzeit und die Sonne steht hier nahe des Äquators am Nachmittag fast senkrecht am Himmel. Wir setzten uns in den Schatten, tranken ein kühles Bier und legten dann statt weiterer Anstrengungen lieber eine Pause ein.
Am späten Nachmittag lernten Heike und ich dann noch Ambrose kennen, einen jungen Mann, dessen Aufenthalt im Priesterseminar wir unterstützen. Es war natürlich schön, nun nicht nur Fotos von dem jungen Mann zu sehen, sondern ihn persönlich kennenzulernen.
Danach gab es Abendessen, wie gewohnt reichhaltig mit vielerlei Gemüse und etwas Hühnerfleisch. Als wir danach ins Freie wechselten, sah Heike eine der jüngeren Schwestern beim Häkeln und daraus ergab sich natürlich sofort ein Gespräch unter Expertinnen. Auf der Terrasse erzählten Emmanuel noch sehr viel über die Entwicklung in Uganda, insbesondere über die Auswirkungen des Bürgerkriegs, die heute noch zu spüren sind.
Wir schliefen alle gut und machten uns gegen acht fertig zum Frühstück. Die Schwestern kamen um diese Zeit schon zurück aus der Kirche. Nach dem Frühstück übergaben wir unsere für das Kinderheim gedachten Geschenke, Insbesondere Süßigkeiten und Spielsachen für die Kinder und ein paar Sachen für die Schwestern, wobei ein großes Glas Nutella die größte Freude auslöste.
Dann hieß es Abschied nehmen, natürlich mit allen guten Wünschen für die Reise und der Einladung und dem Versprechen, immer wiederzukommen, wenn wir auf dem Weg in unsere VTI sind. Gegen zehn Uhr kamen wir dann tatsächlich los …