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Ankunft in Adilang (21. Januar)

Die erste Etappe für heute war die Fahrt nach Lira. Wir waren angenehm überrascht, dass die Straße inzwischen einigermaßen repariert worden war, sodass die Fahrt viel komfortabler war als noch im Mal. Das kurze Treffen mit Francis, dem zweiten Vorstand von Dongo Paco klappte leider nicht, die erste Tankstelle hatte auch kein Diesel, sondern erst die zweite, aber das waren alles lösbare Probleme. Richtig schön war ein Hochzeitszug mit einer Blaskapelle ansehnlicher Größe und anstatt mit Blumen geschmückter Autos gab es hier mit kleinen Bäumchen geschmückte Mopeds.

Hinter Lira fuhren wir dann lange Zeit auf einer Straße, die auf der Landkarte nur gestrichelt eingezeichnet war, was den Zustand der Straße schon erahnen lässt. Ein paar Minuten Halt machten wir an einem Damm, der mit Hilfe der Deutschen Regierung errichtet wurde, und es erlaubt, in der Regenzeit in einer großen Geländemulde Wasser zu sammeln, um es in der Trockenzeit mit einer Art Pipeline für die umliegenden Felder nutzbar zu machen. Einige Frauen wuschen hier im Wasser ihre Wäsche und trockneten sie dann in der Wiese.

Auf der weiteren Fahrt interessierten sich Emmanuel und Brian, der Architekt von Emmanuels Firma, der an diesem Morgen zu uns gestoßen war, sehr für ein Hinweisschild nach Kere City. Kere, so lernten wir, ist ein burkinisch-deutscher Architekt, der in Berlin tätig ist und in vielen Ländern bekannte Bauwerke geplant hat, unter anderem auch Schulen. Typisch für Keres Bauten ist der Einsatz traditioneller Techniken und eine energiesparende, kostengünstige und nachhaltige Bauweise. Am zweiten Hinweisschild nach Kere City beschlossen wir, den Umweg zu der ungefähr 10 Kilometer von unserer Route entfernten Einrichtung in Kauf zu nehmen, um uns dort umzusehen und vielleicht etwas zu lernen. Die Frage, ob unser Zeitplan dies erlauben würde, beantwortete Emmanuel lachend mit „It’s Saturday!“

Den Weg dorthin kann man nicht mehr so richtig als Straße bezeichnen, aber weil Trockenzeit ist, kamen wir ohne größere Schwierigkeiten in Kere City an. Kaum aus dem Auto wurden wir von tanzenden Frauen empfangen und wir erfuhren, dass dies Mütter waren, deren Kinder schon groß sind, und die nun nachträglich Lesen und Schreiben lernen wollen. Neben der Bauweise der Gebäude, die mit sehr viel Bambus und Gräser gebaut waren, waren auch die Ausbildungskonzepte interessant. 

Heike war sofort angezogen von einer kleinen Schneiderei, wo junge Frauen an Nähmaschinen saßen, während ältere Kinder auf die ganz Kleinen aufpassten. Augenscheinlich sehr durchgängig war eine Wertschöpfungskette, die sich quer über das Gelände zog. Unter einem Dach saßen junge Frauen, die sich von älteren Frauen zeigen ließen, wie man traditionell in dieser Gegend Getreide röstet. Die Weitergabe von Wissen von der älteren an die jüngere Generation scheint hier überhaupt eines der Grundprinzipien zu sein. Gleich daneben wurde das geröstete Getreide, das wohl unserem Malz vergleichbar ist, noch in der Sonne getrocknet, um dann im nächsten Verarbeitungsschritt zu einem bierähnlichem Getränk verarbeitet zu werden, das einige Tage später schon getrunken werden konnte.

Endpunkt der Wertschöpfungskette war ein größeres Dach, unter dem ungefähr 30 Männer um einen großen runden Topf saßen und mit Strohhalm ganz genüsslich das Getränk zu sich nahmen. Die Runde, so lernten wir, war eine Art Stammtisch mit psychotherapeutischen Vorteilen, weil hier jeder in seinen Problemen beraten wurde. Zudem zahlte jeder einen kleinen Beitrag, sodass auch etwas Umsatz für die Schule generiert wurde. Und schließlich war die Runde auch sehr kreativ bezüglich neuer Ideen für die Weiterentwicklung von Kere City.

Vermutlich, weil Wochenende war, tanzten die Frauen immer noch in einer Art offenen Bar. Heike schaute eine Zeitlang zu, bevor sie selbst mitmachte, was von den Frauen mit großer Freude angenommen wurde. Etwas später tanzten auch Ute, Robert und Gregor mit, was für alle ein großer Spaß war. Auf dem Weg zu unserem Transporter stellte Heike dann noch fest, dass es im Raum daneben kühles Bier gab und so war es nach der Tanzeinlage absolut angebracht, im nächsten Raum, in dem einige Männer saßen, noch ein Bier zu trinken. Auf dem LCD-Bildschirm lief Liverpool gegen Chelsea und wir amüsierten uns sehr, hier weit abgeschieden von allem hier mitten in Uganda zu sitzen und Premier League zu schauen.

Nach diesem schönen unvorhergesehenen Programmpunkt ging es weiter in Richtung Adilang. Naturgemäß waren wir nun spät dran, und, wie Emmanuel telefonisch erfuhr, die Teilnehmerinnen von Heikes Häkelkurs warteten schon, um sie kennenzulernen.

Es war ein schönes Gefühl, nach Adilang zurückzukehren. An vieles konnten Robert und ich uns von unserer Reise im Mai erinnern. Wir machten kurz Halt im Adoma Guesthouse, das Emmanuel und Berna gebaut haben. Es ist ein großes Glück, damit im Dorf eine für dortige Verhältnisse sehr komfortable Übernachtungsmöglichkeit zu haben. Im Mai war das Guesthouse noch eine Baustelle, inzwischen macht es sowohl von außen als auch von innen einen richtig guten Eindruck. Hier ist inzwischen auch der Sitz von Dongo Paco und so wurden wir auch von Osborne, dem Leiter des Guesthouse und des Dongo Paco-Büros begrüßt.

Wenige Minuten später ging es dann weiter auf das Schulgelände. Als wir im Mai abgefahren sind, war hier nur Wiese. Es ist unglaublich, was inzwischen alles entstanden ist. Das erste Gebäude steht, das am Anfang für den Unterricht genutzt wird und zusätzlich zwei Büros und sanitäre Anlagen enthält. Die Anbauflächen, auf denen der Kurs verschiedenstes Gemüse anbaut, ist viel größer, als ich das von den Fotos vermutet hatte. Außerdem gibt es nun den Brunnen, eine Zufahrtsstraße, einen schon weit gediehenen Sportplatz, eine Solaranlage und eine Überdachung, die ganz im traditionellen Stil errichtet ist und zwanzig bis dreißig Personen Platz bietet.

Wir lernten Patrick, den Schulleiter, Nelson, den Lehrer für Gartenbau, Moses, den Bauleiter und Florence, die das Projektbüro führt, kennen. Auch Pius war da, einer der Brüder Emmanuels, der sehr viel organisatorische Aufgaben, vor allem im Kontakt zum Dorf, erfüllt.

Der Rundgang durch die Anbauflächen war echt beeindruckend und Nelson erklärte uns alles. Obwohl Samstag Nachmittag war, waren einige Schüler damit beschäftigt, ihre Pflanzen zu pflegen. Wie uns Nelson und Patrick berichteten, haben sie große Begeisterung für die Ausbildung und freuen sich total über die Erträge, Da jeder eine kleine abgegrenzte Anbaufläche hat, deren Erträge er persönlich verwenden oder verkaufen darf, tun sie alles, damit die Pflanzen gut gedeihen und immer genug Wasser haben.

Wir erfahren auch, dass immer viele Leute aus dem Dorf hierher kommen, um sich das alles anzusehen. Die Einschätzung der Dorfbewohner war zunächst, dass hier auf dem Gelände sowieso nichts wächst und in der Trockenzeit schon überhaupt nicht. Wenn sie dann geerntetes Gemüse sehen, kommen sie in die Schule, um sich zu überzeugen, dass hier tatsächlich alles wächst und gedeiht. Eine eigentlich simple Technik, die zu diesem Erfolg beiträgt, ist die Verwendung von abgeschnittenen Plastikflaschen als Mittel zur Bewässerung. In der Trockenzeit werden die Flaschen täglich gefüllt – keiner der Schüler würde das vernachlässigen.

Um dafür Wasser zu haben, gibt es den Brunnen und es war für Gregor natürlich ein ganz besonderer Moment, das erste Mal an „seinem“ Brunnen zu stehen und Wasser zu pumpen. Laut Emmanuel ist der Brunnen 60 Meter tief, obwohl man schon in vier Meter Tiefe auf Wasser kommt. Durch die Konstruktion des Brunnens steht reichlich Wasser zur Verfügung und kann auch von den Familien, die im näheren Umkreis der Schule wohnen genutzt werden.

Heike saß inzwischen im Kreis ihrer Kursteilnehmer, die am Anfang noch etwas schüchtern waren, aber nach einer Stunde tauten sie schon etwas auf. Den Kurs in den nächsten Tagen in vier Etappen abzuwickeln ist schon eine beträchtliche Herausforderung und Heike war die Anspannung durchaus anzumerken.

Für mich war es sehr bewegend, zum ersten Mal im neuen Gebäude zu stehen. Es ist richtig schön geworden und alle Beteiligten einschließlich unserer großzügigen Spender können stolz darauf sein. In wenigen Wochen werden hier zwei jeweils zweijährige Ausbildungen starten, das heißt, das Gebäude wird richtig mit Leben gefüllt sein.

Es war schon ziemlich dunkel, als wir zum Guesthouse zurückkehrten. Es war eine größere Aktion, die mitgebrachten Sachen zu sortieren. Vieles bleibt die nächsten paar Wochen noch im Guesthouse, um auf der Baustelle nicht verloren zu gehen. Danach freuten sich alle auf eine Dusche, bevor wir Abendessen bekamen. Nachdem unser Mittagessen mehr oder weniger aus einem Bier bestanden hatte, waren wir ordentlich hungrig.

Der Abend klang dann im Innenhof des Guesthouses am Lagerfeuer aus. Es wurden noch viele Geschichten erzählt von unseren Reisen, von Emmanuels und Bernas Hochzeit und vieles mehr. Pius ist neben seinem Job in der VTI selbstständig als Physiotherapeut tätig, sodass er und Heike viel zu bereden hatte. Er soll auch die mitgebrachte Sanitätsausrüstung übernehmen.

Gegen elf begaben wir uns zur Ruhe, wobei Ruhe nicht ganz der richtige Ausdruck ist, weil aus dem Dorf fast ohne Unterbrechung bis in den Morgen relativ laute Musik zu hören war, aber so einigermaßen konnten wir doch schlafen.

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